Um die Bepflanzung meines Balkons abzuschließen, waren nur noch zwei Blumentopfuntersetzer nötig, die meine Nisthilfen beim Gießen vor Überflutungen schützen sollten. Das machte einen meiner äußerst seltenen Gänge zum Baumarkt leider unvermeidlich. Auf dem Weg zu Kasse sprang mich dann meuchlings ein Regal mit Insektennisthilfen an. Die fachliche Kompetenz, das atemberaubende handwerkliche Geschick und nicht zuletzt die grenzenlose Frechheit einen derartigen Müll auf den Markt zu bringen, machten mich erst einmal wirklich sprachlos, ein eher seltener Zustand bei mir.
Im folgenden Porträt eines dieser Wunderwerke mag sich jeder Leser selbst sein Urteil bilden.
Hier werden Wildbienen(alb)träume war.
Fach 1: Das Solidaritätsschilf
Weit über 90% der Wildbienen leben ja bekanntlich solitär, bilden also keine sozialen Gemeinschaften wie die Honigbiene. Um die Sozialkompetenz der Wildbienen zu erhöhen, setzen die Hersteller dieses Produktes auf interartliche Zusammenarbeit. Nur mit Hilfe einer Gruppe gedungener Söldnertermiten, die den von Splittern und Fasern reusenartig verschlossenen Eingang eines jeden Schilfhalms freiknabbern, haben die Wildbienen überhaupt Chancen auf einen ersten Ortstermin. Hier darf schließlich nicht Hinz und Kunz siedeln!
Fach 2: Die hölzerne Jungfrau
Diese Abteilung orientiert sich an einem beliebten Folterinstrument des Mittelalters, der "Eisernen Jungfrau". Sie war aus Metall, hohl, besaß eine aufklappbare Frontseite und ihr Inneres war zur Unterhaltung ihres unfreiwilligen Untermieters mit Dornen und Klingen gespickt. Eine archaische aber sehr wirkungsvolle Form der Akupunktur, bereits nach einer einzigen Behandlung hatte der Patient nie wieder irgendwelche Beschwerden. Leider wird durch diesen Nisthilfenbereich die Wettsucht im Kreise der Wildbienen stark gefördert: "Wer schafft es dreimal hintereinander in die Röhre zu kriechen, ohne im Anschluß mit zerschlitzten Flügeln zu einem Leben als Wildbienenfußgänger verdammt zu sein?"
Fach 3: Tod den Blattläusen
Die zarten Bande zwischen Gärtner und Blattlaus waren schon immer von einer gewissen Disharmonie geprägt. Mit dieser Florfliegen-Marienkäfer-Trutzburg werden die natürlichen Gegenspieler zum vernichtenden Schlag gegen die renitenten Säftesauger versammelt. Warum sich ausgerechnet hier Marienkäfer und Florfliegen einnisten sollen, ist zwar nicht ganz nachvollziehbar, aber schließlich steht es ja so in der Gebrauchsanweisung. Es werden ja wohl in Gottes Namen nicht alle Insekten Analphabeten sein! Abgesehen davon weiß doch jeder, dass Florfliegen magisch von roter Farbe angezogen werden und last not least ist das Innere mit dem unwiderstehlichen Marienkäfer-Florfliegen-Spezialheu (Flauschifaktor 10!) für einen Euro gefüllt. Gegen geringen Aufpreis kann ein akustisches System instaliert werden, dass in randomisierten Abständen den Balzschrei einer brünftigen Blattlaus sendet, und damit Florfliegen und Marienkäfer zusätzlich unwiderstehlich anlockt.
Fach 4: Zapfenstreich
Ein merkantiler Geniestreich, höchsten Lobes würdig! Suche nach "Naturmateralien" (meistens Zapfen, Heu oder Borkenschuppen), die dir gratis nachgeschmissen werden, weil sowieso kein Mensch Verwendung dafür hat. Fülle dieses organische Sammelsurium nun in ein Fach und präsentiere das Ganze vollmundig als "Kleintierrefugium". Nach Möglichkeit ohne dabei rot zu werden. Auf den werbewirksamen Hinweis "Füllung aus reinen Naturprodukten ohne Chemie!" sollte auf keinen Fall verzichtet werden. Alle Insekten im Umkreis von 10 km werden sich umgehend voller Sehnsucht nach diesem professionellen Schlupfwinkel verzehren. Oder so ...! Jeder Garten, der auch nur rudimentär strukturiert ist, bietet tausendmal bessere Versteck- und Unterschlupfmöglichkeiten, solche Angebote sind also eine reine Posse. Hier füllt sich nur eines, der Geldbeutel des Herstellers.
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