Bei einer Naturgartenexkursion zum NABU Naturschutzhof Nettetal (www.nabu-krefeld-viersen.de) bin ich zum ersten Mal auf eine Lehmwand für solitäre Hautflügler gestoßen, die tatsächlich funktioniert. Ein unbegreiflich hehres Wunder!
Der Ton, der normalerweise für die klassischen Lehm-Weiden-Flechtwände in Nisthilfen verwendet wird, ist in der Regel viel zu hart und wird deswegen nicht besiedelt. Löß, das natürliche Substrat für viele Gänge grabende Bienen und Wespen, ist dagegen ein sehr weiches, poröses Sedimentgestein.
Die für diese Lehmwand verwendeten Lehmziegel und der Lehmverputz stammen von der Firma Claytec (www.claytec.de), die sich auf Baustoffe aus Lehm spezialisiert hat. Wildbienen- und Wespentauglichkeit hatte die Firma wohl eher nicht im Sinn, es ist aber ein angenehmer Nebeneffekt :-)
Unmittelbar in ihrem Nistbereich ist diese Wespenart leicht zu erkennen. Die wasserhahnförmig gekrümmten Kamine aus angefeuchtetem Lehm sind unverwechselbar. Allerdings reicht bereits ein kräftiger Regenguss um diese filigranen Bauwerke komplett in ihre Bestandteile aufzulösen. Die Lebenszeit dieser Türmchen ist aber sowieso begrenzt, weil die Wespe nach der Versorgung aller Brutzellen den Hauptgang mit dem im Kamin angesammeltem Lehm wieder verschließt.
Am Tag an dem wir das NABU-Gelände besuchten, brach zum ersten Mal seit Wochen die Sonne durch. Am Vormittag stand noch kein einziger Schornstein an der Lehmwand. Nur einige Wespen wärmten sich bereits in der Sonne auf. Nach Monaten nasskalter Scheußlichkeit ein durchaus nachvollziebares Unterfangen. Dabei strotzten die Wespen noch keineswegs vor Agilität, sondern bewegten sich mit dem Temperament und der Geschmeidigkeit einer rheumatischen Schildkröte. Im Verlauf unseres einstündigen Mittagessens schossen die Lehmbauwerke dann aber fast im Zeitraffer in die Höhe. Als auch der Nachtisch den Weg alles Irdischen gegangen war - natürlich nur aus Höflichkeit der Köchin gegenüber - hatten die Schornsteine bereits eine Länge von mehreren Zentimetern.
Echt flott, die kleinen Architekten!
Bau der Brutzellen: Um wirkungsvoll Gänge im harten Löss oder Lehm graben zu können, transportiert die Wespe Wasser zum Nistplatz und weicht damit das Substrat auf. Bei Wassermangel werden zum Teil auch die Absonderungen von Schaumzikaden verwendet. Der mit den Kieferzangen (Mandibeln) ausgeschachtete Lehm wird zum Bau des charakteristischen Schornsteins verwendet. Diese Lehmröhre ist immer wieder gitterartig von Löchern durchbrochen. Am Ende des 6-8 cm langen Hauptgangs werden traubenförmig bis zu maximal sieben Brutzellen angeordnet. Typisch ist die Position des Eis, das an einem dünnen Fädchen von der Decke der Brutzelle hängt.
Eingetragene Beutetiere: Zur Versorgung der Larven trägt die Wespe ausschließlich mit einem Stich gelähmte Rüsselkäferlarven der Gattung Hypera (= Phytonomus) ein, vor allem die Larven des Luzerneblattnagers (Hypera postica). Aus Sicht der Käferlarven sicherlich keine sehr nette Vorgehensweise, aber auf diese Weise verdirbt das Protein nicht, sondern bleibt während der ganzen Entwicklungszeit der Wespenlarven "frisch". In der Regel werden für die Versorgung einer Brutzelle 10-30 Larven verwendet. Anschließend wird der Hauptgang wieder mit Lehm verschlossen, dazu baut die Wespe den Schornstein komplett ab. Man vermutet daher, dass er lediglich als Materialzwischenlager dient.
Entwicklung der Larven: Nach dem Verzehr der Rüsselkäferlarven, spinnt die Wespenlarve nach ca. einer Woche einen Kokon, in dem sie als sogenannte Ruhelarve überwintert. Erst im nächsten Frühjahr erfolgt die Verpuppung. Nach dem Schlüpfen müssen sich die jungen Wespen mühsam bis zur Oberfläche durchgraben. Da sich die Generationen nie begegnen, haben sie allerdings keine Chance, sich bei ihren Eltern zu beschweren.
Typische Brutschmarotzer: Die Vermutung, Parasiten würden durch den Schornstein vom eigentlichen Nisteingang abgelenkt, ist eher unwahrscheinlich. Die Schornsteinwespe wird von vielen Schmarotzern heimgesucht , die offensichtlich alle kein Problem haben, an ihr Ziel zu gelangen.
Die Bunte Goldwespe (Chrysis viridula) ist sogar ausschließlich auf die Schornsteinwespe spezialisiert. Erst wenn alle Brutzellen komplett fertig gestellt sind, gräbt die Goldwespe den verschlossenen Gang wieder auf, beißt ein Loch in den Schornsteinwespenkokon und legt dort ihr Ei ab.
Auch eine Fliegenart, der Trauerschweber (Anthrax) sowie der Bienenwolf (ein Vertreter der Buntkäfer) schmarotzen bei der Schornsteinwespe.
Bei günstigen Nistbedingungen kann die Art stellenweise in hoher Dichte auftreten. Zum Teil klauen sich die Weibchen bereits eingetragene Käferlarven aus benachbarten Brutzellen anderer Wespen. Damit ist Ärger natürlich vorprogrammiert.
Gleich kracht's!
Beide Weibchen drohen mit weit gespreizten Mandibeln. Erstaunlicherweise sind die beiden bei dem ganzen Imponiergehabe nicht abgestürzt. Stellenweise sah es so aus, als wären eigentlich keine Beine mehr zum Festhalten übrig.
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