Die Agave (Agave spec.)
Die riesigen, fleischigen Rosetten der Gattung Agave mit ihren ausgeprägten Blattdornen am Ende der lanzettlichen Blätter sind auch für einen botanischen Laien unschwer zu erkennen. Bei 208
Arten, die auch noch zahllose Hybride miteinander bilden können, bleibt die genauere systematische Abgrenzung allerdings begeisterten Botanikfreaks vorbehalten. Entgegen des ersten Eindrucks sind
Agaven weder mit den Kakteen, noch mit den ähnlich gebauten Aloen verwandt. Durch DNA Analysen wurde ihre Systematik in jüngster Zeit ziemlich auf den Kopf gestellt. Ursprünglich ein Vertreter
der Liliengewächse zählt man sie derzeit zu den Spargelgewächsen. Dem Fotografen dürften derartige akadämliche Diskussionen nur mäßige Kopfschmerzen bereiten.
Der bis zu 12 m hohe, armdicke Blütenstand der Agaven geistert als dekorative Silhouette durch Tausende von Sonnenuntergangsfotos. (Sonnenaufgänge erlebt der typische Tourist ja nur in
Ausnahmefällen). Wer die Blütephase einer einzelnen Agave im Foto verewigen will, hat ausgesprochen schlechte Karten. Die Pflanze blüht oft erst nach Jahrzehnten, dann allerdings investiert sie
ihre gesamte Energie in den Aufbau des monströsen Blütenstandes, um im Anschluss völlig groggy abzusterben. Wurzelschösslinge, die zu einer neuen Pflanze heranwachsen, halten den Jahrzehnte
andauernden Kreislauf der Einzelpflanze am Leben.
Eine Agave ist die eierlegenden Wollmilchsau unter den Pflanzen, für jeden Pflanzenteil lassen sich vielfältige praktische Anwendungen finden. Die Sisal-Agave liefert eine zähe, zugfeste
Naturfaser die zur Produktion von Seilen, Tauen, Garnen und hochwertigen Dart-Boards verwendet werden. Aus den Blättern wurde Papier gewonnen die Blattdornen wurden als Ahlen zum Korbflechten und
als Nadeln verwendet. Aus den getrockneten Blütenstängeln werden Didgeridoos hergestellt, in Streifen geschnitten dienen sie als Abziehriemen für Rasiermesser. Hecken aus den dornigen
Agavepflanzen bilden eine undurchdringliche natürliche Barriere, die Raubtiere, menschliche Eindringlinge und Papparazi wirkungsvoll abschreckt. Blüten, der massige Blütenstängel, Blätter und
Wurzeln werden als zuckerreiches Nahrungsmittel geröstet. Auch in der Medizin viele Naturvölker spielt die Agave eine entscheidende Rolle.
Agavendicksaft dient als Zuckerersatz in der Küche, durch Vergärung entsteht das mexikanische Nationalgetränk Pulque. Mezcal, ein typischer mexikanischer Schnaps wird durch Vergärung und
Destillation aus dem Fruchtfleisch der Agavenherzen hergestellt. Als reiner Marketinggag wird bei einigen Mezcal-Marken jede Flasche durch die Zugabe einer fälschlicherweise als „Wurm“ (da
sträuben sich meine zoologischen Nackenhärchen) bezeichneten Schmetterlingsraupenart (Aegiale hesperiaris, Hypopta agavis) die sich von Agavenblätter ernährt „veredelt“. Eine Art
Carnivoren-Rumtopf also, im Alkohol ist die Larve praktisch unbegrenzt haltbar. Wohl bekomm’s! Tequila ist die bekannteste Mezcal-Sorte und wird ausschließlich aus dem Herz der Blauen Agave
(Agave tequilana Weber) hergestellt. Als Hauptbestandteil des Margarita-Cocktails wird so auch der relativ simpel strukturierte Ballermann-Tourist in den segensreichen Wirkungskreis der
Agave eingebunden, ohne das so anheimelnd vertraute Umfeld seines Sangria-Eimers unnötig verlassen zu müssen.
Fotografisch finde ich vor allem die Strukturen der Blattränder im Makrobereich faszinierend. Vor ihrer Entfaltung sind die Blätter um die Längsachse ein gerollt, dadurch entsteht jeweils ein
negativer Abdruck der Stachelkanten, der auch nach der Entfaltung der Blätter gut sichtbar ist.
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