Nachdem viele Menschen die in Baumärkten, Gartencentern und leider Gottes teilweise sogar von Naturschutzorganisationen angebotenen Insektennisthilfen als "normal" empfinden und selbst die
hoffnungslosesten Fehlkonstruktionen in Amazonrezensionen preisen, ist langsam Aufklärung angesagt. Deshalb habe ich eine sechsseitige Zusammenfassung mit 15 Fotobeispielen zu diesem Thema
erstellt, die sich ausführlich mit den Schwachstellen und der Problematik dieser Nisthilfen auseinandersetzt. Abschließend findet ihr Bezugsquellen mit bewährten, sinnvollen und praxistauglichen
Produkten, die es ja Gott sei Dank auch gibt.
Ihr könnt euch diesen Artikel unter dem folgenden Link herunterladen oder direkt hier auf meiner Website.
Da sich Herr Dr. Westrich spontan entschlossen hat die Insektennisthilfe von ALDI einem Praxistest in seinem Garten zu unterziehen, möchte ich den gleichen Part für das Insektenhotel der Firma LIDL übernehmen. Blutenden Herzens habe ich mein Schweizer Nummernkonto (ich vergess diese blöde Nummer immer …) daher um knapp 10 Euro erleichtert, um diese Manifestation Holz gewordener Naturliebe persönlich in Augenschein zu nehmen. Alles im Dienste der Wissenschaft! Heute kam das Paket an und meinem staunenden Auge bot sich eine Welt der Wunder, die ich euch nicht vorenthalten möchte.
Ich traue meinen Augen kaum, als ich auf dem Dach der Nisthilfe tatsächlich eine waschechte Rostrote Mauerbiene sitze sehe. Regnet es nach oben?? Sollte nach all den Jahren wirklich biologisches Hintergrundwissen eingesickert sein? Habe ich der Firma – was der Himmel verhüten möge – gar unrecht getan???
Nach einem zweiten Blick ist die Welt wieder in Ordnung, zwei waschechte Honigbienen befinden sichim Anflug auf das "Flugloch". Denn wo Flugloch dran ist, ist Honigbiene drin, das wußte ja schon die Biene Maja. Vermutlich zwei vom Stock Verstoßene auf ihrem einsamen Weg ins Exil. Dabei sollten sie eigentlich wissen, dass ein querliegendes, rot gestrichenes Einflugloch IMMER Florfliegen vorbehalten ist. Hier ist Ärger vorprogrammiert. Vermutlich will LIDL dem Kunden unterschwellig suggerieren: „Für die soziale Inkompatibilität der Mieter untereinander sind wir nicht verantwortlich“.
Das „Bienenhotel“ von ALDI hat übrigens ein vertikales, völlig unrotes Einflugloch, das Schmetterlingen vorbehalten ist. Auf diese Weise wird von den beiden Firmen ein größeres Artenspektrum abgedeckt. Naturschutz auf breiter Basis. Links unten steht der verheißungsvolle Satz „Drei Jahre Garantie“. Alle Achtung, da lacht das Kundenherz! Andererseits gibt es an beweglichen Verschleißteilen nur die Insekten, und davon werden sich wohl nicht allzu viele blicken lassen.
Der bei den Bestandteilen aufgeführte „Tannenzapfen“ ist zwar ganz offensichtlich ein Kiefernzapfen, aber wir wollen nicht allzu kleinlich sein.
Mit einer Fülle wertvoller Details wird der frisch gebackene Nisthilfenbesitzer auf seine verantwortungsvolle Aufgabe vorbereitet. „Das Insektenhotel möglichst an einem sonnigen, wind- und regengeschützten Ort in Nähe von Kräutern, Pflanzen, Sträuchern sowie Bäumen aufstellen“. Na, dann das machen wir das doch glatt, wenn es schon der Fachmann empfiehlt! Pflanzen müßten wir im Garten haben, vielleicht finden wir sogar Kräuter, Sträucher und Bäume!
Allerdings sollte man auch die potentielle Gefahrenquelle nicht unterschätzen: “Zur Vermeidung von Stichen mit möglichen Risiken von Allergien/Überempfindlichkeiten Sorge tragen, dass Kinder nicht mit dem Insektenhotel spielen und Abstand halten“. Schließlich ist ja gerade die Stechlust der solitären Wildbienen Legende, Wenn die mal ausrosten, weil der Nektar umsteht, dann geht aber die Post ab!
Nein, bei aller Liebe, ganz definitiv NEIN! Selbst wenn Sie dieses Insektenhotel durch den Schredder jagen, werden die
dort nistenden Insekten immer die Flucht ergreifen, statt ihr Leben, und damit auch die Erhaltung der Art, durch Aggression zu gefährden. Diese Warnung entbehrt also jeder realen
Grundlage.
Die Verarbeitung ist allenfalls mittelmäßig, hier handelt es sich um billiges, lieblos zusammengenageltes Holz. An einer geschützten Stelle könnte diese Nisthilfe aber dennoch ihre Funktion erfüllen.
Maße: 28 x 10 x 33,5 cm
Bambushalme:
Positiv ist die Verarbeitung der Bambushalme. Sie sind sauber abgeschnitten und besitzen glatte, runde Kanten, die die Flügel der dort nistenden Insekten nicht gefährden. Die einzelnen Halme sind am Boden festgeklebt und können daher nicht herausfallen. Damit sind wir allerdings bereits am Ende der positiven Punkte angekommen.
Der Durchmesser der Halme ist mit bis zu 14 Millimeter wohl eher für brütende Kolibris angelegt. (Das 1 Cent-Stück in der Bildmitte oben dient mit 16 mm Durchmesser als Größenvergleich). Mauerbienen gehören mit zu den größten Arten, die in unseren Nisthilfen siedeln. Die Nisthilfen, die in der kommerziellen Mauerbienenzucht verwendet werden, haben aber lediglich Gangdurchmesser von 8-9 mm. Der Niststein aus gebrannten Ton von Volker Fockenberg wird bei mir immer komplett besiedelt. Lediglich das größte Loch mit 11 mm Durchmesser - von dem es glücklicherweise nur eines gibt - bleibt regelmäßig frei. Superlative sind nicht immer sinnvoll und "Groß" ist nicht immer auch großartig. Damit sind bereits zehn der Bambushalme (11-14 mm, rote Beschriftung) für eine Besiedlung ungeeignet. Eine Mauerbiene hat in ihrem vierwöchigen Leben Besseres zu tun als Zeit, Energie und Baumaterial in die Errichtung monströser, völlig überdimensionierter Trennwände zu investieren. Größenwahn ist im Gen-Pool der Insekten eher nicht vorhanden.
Bei einigen der kleinsten Löcher wurde das Mark nicht entfernt. Auch diese Halme werden daher vermutlich nicht besiedelt. Die Löcher mit 8, 9 und 10 mm werden wahrscheinlich von Mauerbienen bezogen, alle kleineren Arten müssen sich dagegen wohl nach einem anderen „Vermieter“ umsehen. Vielleicht versuchen die es ja dann bei dem „Bienenhotel“ von ALDI.
Bei den Aststücken wurde vermutlich - wie leider in der Regel üblich - relativ weiches Holz verwendet, entsprechend faserig sind die Bohrlöcher. Wie bei Bohrungen im Hirnholz generell üblich, beginnt das Holz bereits zu reißen. Der Gangdurchmesser von 8 und 9 mm ist wieder in erster Linie nur für die Mauerbienen geeignet. Hätte man das ganze Fach mit einem Hartholzklotz gefüllt, mit Bohrungen quer zu Holzfaser, ließe sich auf derselben Fläche das Zehnfache an Nistgängen unterbringen. Diese würden dann im Anschluss auch erfolgreich besiedelt.
Mit diesem Fach verlassen wir nun endgültig den Bereich der Logik und wandeln fortan im Bereich der Mystik und Sagen.
Ein gähnend leeres Fach, in dem sich drei Kiefernzapfen verschüchtert aneinander kuscheln, hat für Insekten als
Versteckmöglichkeit einen ähnlich hohen Anreiz, wie das Salatbuffet für Nosferatu. Dasselbe gilt für die beiden mit Stroh gefüllten Fächer. Auch einem Insekt sollte man zumindest einen Funken
Intelligenz zubilligen. "Strohdumm" sind sie keineswegs. Wer hier auf Florfliegen, Marienkäfer, oder irgendein beliebiges Insekt wartet, hat eine lange, sehr sehr lange Warteperiode vor sich.
(Die Frage mit der Florfliegenbesiedelung habe ich bereits in dem Artikel „Insektennisthilfen von OBI,
ALDI, HINZ & KUNZ“ (siehe oben) ausführlich behandelt). Sollte sich in diese Fächer allen Ernstes einmal ein Vertreter der Sechsbeiner verirren, hat er vermutlich ernste psychische
Probleme. Mit Naturstrohhalmen, Schilf- oder Bambushalmen gefüllt, hätten diese Fächer durchaus einen praktischen Nutzen.
Abgesehen von dem Fach mit den Halmen, das zumindest einen begrenzten, sehr überschaubaren Nutzen hat, ist der Rest diese Nisthilfe aus Sicht der Insektenwelt komplett sinnlos und schreit geradezu nach einem Umbau. Falls sich jemand diese Mühe macht, würde ich mich über Fotos der Ergebnisse freuen (siehe rechts) und sie hier einstellen.
Und heute Nacht werde ich - im Schutze der Dunkelheit - diese Frucht deutscher Geschäftstüchtigkeit auf meinem Balkon aufhängen. Hoffentlich sieht mich dabei keiner … !
Link per Email versenden (Linkadresse wird automatisch eingefügt)
Es sind noch keine Einträge vorhanden.