Nisthilfen für solitäre Wildbienen und Wespen werden seit etlichen Jahren werbewirksam – wenn auch inhaltlich falsch - als "Insektenhotels" vermarktet und erfreuen sich zunehmender Beliebtheit. Inzwischen wartet eine ganze Armada von mehr oder weniger fragwürdigen Produkten auf den interessierten Gartenbesitzer
Mit wenigen Ausnahmen haben diese Nisthilfen alle eines gemeinsam:
Die Begeisterung über den Kauf dieses vermeintlich sinnvollen Produktes weicht irgendwann unweigerlich einer herben Enttäuschung, angesichts der verschwindend geringen Besiedelung solcher praxisuntauglichen InsektenNICHTNisthilfen.
Einige sinnlose Elemente und typische Verarbeitungsfehler tauchen in nahezu jeder Nisthilfe auf. Sie werden von anderen Firmen und Privatmenschen weitgehend kritiklos übernommen und dienen leider oft als „Vorbild“ für selbst gebaute Modelle. Daraus resultiert ein echter Teufelskreis der jede Änderung dieser Produktpalette wirkungsvoll verhindert.
Florfliegenlarven verputzen während ihrer zweiwöchigen Entwicklungszeit 200-500 Blattläuse. Damit haben sie sich das Herz der Gartenbesitzer im Sturm erobert. Als praktische Konsequenz sind die Florfliegenüberwinterungsfächer mit den typischen, rot gestrichenen Querlamellen ein fester Bestandteil der meisten Insektennisthilfen.
Erstaunlicherweise gibt es hier sogar ein funktionierendes, praktisches Vorbild.
Professor Cetin Şengonca, hat in den 1980er-Jahren im Zuge der biologischen Schädlingsbekämpfung an der Uni Bonn viele Versuche zur Überwinterung von Chrysoperla gemacht hat und dabei nachweisen konnte, dass Florfliegenhäuschen in Rot oder Braun von den Tieren signifikant am besten angenommen wurden.
Allerdings hatten die angebotenen Überwinterungsquartiere, die im Feldversuch gut angenommen wurden, eine Seitenlänge von mindestens 30 cm. Mit der Reduzierung auf Puppenspielzeuggröße sinkt leider auch der praktische Nutzen auf Null.
Überwinternde Florfliegen trifft man häufig in Garagen, Gartenschuppen und Speichern, manchmal sogar in großer Zahl. Wer dagegen
jemals eine Florfliege in den dafür vorgesehenen Fächern von Insektennisthilfen finden sollte, darf sich wirklich glücklich schätzen, mir ist es bisher noch nie gelungen.
Ein Biologe der eine Studie über die Überwinterung von Florfliegen in künstlichen Überwinterungsquartieren
durchgeführt hat, bewertet den Nutzen solcher Fächer folgendermaßen:
„Die Nützlingsquartiere, die Sie mir da im Bild geschickt haben, sind meines Erachtens eher als Spielzeuge für Hobbynaturschützer einzustufen. Kann schon sein, dass sich eine Florfliege da rein verirrt (…), dennoch. sind diese Spielzeuge tatsächlich eher dem finanziellen Ausnutzen gutmütiger Naturschützer denn einem tatsächlich sinnvollen Naturschutz zuzuordnen“.
Für den Nutzen solcher Nisthilfen als Refugium für die ebenfalls blattlausverzehrenden Marienkäfer gilt letztendlich genau das gleiche. Marienkäfer wird man an vielen Stellen in Garten und Haus finden, hier dagegen so gut wie nie.
Wer also glaubt mit dem Aufhängen solcher Insektennisthilfen etwas Sinnvolles für die Marienkäfer- und Florfliegen-Population in seinem Garten zu tun, wird mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit bitter enttäuscht werden.
Die Gestaltung eines strukturreichen Naturgartens - der ganz automatisch zahlreiche Versteck- und Überwinterungsmöglichkeiten bietet - sowie eine möglichst artenreiche Bepflanzung aus einheimischen Wildstauden und –Sträuchern, die Lebensgrundlage für eine Vielzahl von Pollen- und Nektarsammlern, Blattfressern und Säftesaugern bieten und der komplette Verzicht auf Insektizide, sind zur Förderung solcher Arten sicherlich um ein Vielfaches sinnvoller.
Das Schmetterlingsüberwinterungs-Quartier lässt sich am senkrechten Einflugsschlitz zweifelsfrei erkennen. Die Behauptung, in solchen, oft nur wenige Zentimeter großen Fächern, würden Schmetterlinge überwintern, grenzt geradezu ans Absurde. In der Geschichte der Nisthilfen dürfte sich hier noch nie ein Schmetterling gezeigt haben, ich kenne weder entsprechende Berichte noch irgendwelche Belegfotos.
Überwinternde Schmetterlinge findet man an gut geschützten Stellen, beispielsweise in Höhlen und hohlen Bäumen oder im Siedlungsbereich auch in Schuppen, Speichern und Garagen.
Der erschreckende Rückgang unserer Schmetterlingsarten liegt keineswegs am Fehlen von Überwinterungsnisthilfen. Viel entscheidender ist der Verlust geeignete Lebensräume mit den entsprechenden Futterpflanzen für die Raupen.
Schmetterlinge können eine breite Palette von Nektarpflanzen als Energiespender nutzen, manche Raupen sind dagegen zwingend auf eine einzige Pflanzenart für ihre Entwicklung angewiesen. Hier kann der Naturgartenbesitzer durch die Auswahl geeigneter Pflanzenarten aktive Hilfestellung leisten.
Abgesehen davon überwintern von den ca. 180 Tagfalterarten in Deutschland nur ein verschwindend kleiner Bruchteil, nämlich 6 Arten als Schmetterling:
Alle anderen Arten verbringen den Winter als Ei, Raupe oder Puppe. Schon unter diesem Aspekt sind diese Kästchen also komplett sinnlos.
Dieser Klassiker fehlt in fast keiner käuflichen Nisthilfe denn die schier magische Anziehungskraft von Kiefernzapfen auf
Insekten ist ja schließlich Legende! Das Material ist billig, bzw. kostenlos, füllt rasch große Flächen und fatalerweise sieht es auch noch „nett“ aus und verlockt die Kunden zum Kauf. Wer
erstmals auf die drollige Idee gekommen ist, ein solches Fach mit einigen depressiven. lebenslänglich eingekerkerten Kiefernzapfen wäre für Insekten als Versteck attraktiv, hatte einen wirklich
erfrischend schrägen Humor :-)
Jeder Besitzer solcher Nisthilfen kann selbst die Probe aufs Exempel machen, solche Fächer regelmäßig kontrollieren und die
gefundenen bzw. nicht gefundenen Besucher protokollieren. Abgesehen von vereinzelten Spinnen werden sich hier nur in Ausnahmefällen irgendwelche sonstigen Gliederfüßler wie Insekten
einfinden.
Das gleiche gilt für eine Füllung mit Borkenstückchen, Holzhäcksel, Stroh, Heu oder ähnlichen organischen Materialien. Werden sie auf dem Komposthaufen deponiert, schafft das deutlich mehr Lebensraum. Als Unterschlupf oder gar Überwinterungsquartier für Insekten besitzen sie so gut wie keinen praktischen Nutzen.
Saubere, glatte und splitterfreie Schnittkanten der verwendeten Stroh-, Schilf- oder Bambushalme sind die essentielle Grundvoraussetzung für die Annahme durch die Insekten.
Zum Abstreifen des Pollens in der Brutzelle kriechen die Wildbienen rückwärts, also mit den Flügeln voraus in ihren Nistgang. Jeder Schiefer oder Splitter am Eingang der Niströhre würde die empfindsamen Flügel unwiderruflich zerstören. Fußgängerbienen haben absolut keinerlei Zukunft! Daher meiden die Insekten derartig unbrauchbare Nistmöglichkeiten instinktiv.
Zum Teil sind die verwendeten Halme derart ausgefranst, daß der Eingang komplett blockiert wird, also gar kein nutzbarer Hohlraum
vorliegt. Konsequenterweise findet hier dann auch keinerlei Besiedelung statt.
Ausführliche Infos zum Thema Pflanzenstengel in Nisthilfen finden Sie HIER
Leider fehlt auch dieses Element in fast keiner der käuflichen Nisthilfen.
Bohrungen im Holz sollten generell immer im rechten Winkel zur Holzfaser erfolgen, nie im Stirnholz. Auch die natürlicherweise besiedelten Fraßgänge von Käferlarven im Totholz verlaufen ja in dieser Richtung. Die angeschnittenen Fasern und Wasserleitungselemente des Holzes nehmen bei feuchter Witterung Luftfeuchtigkeit auf (Wassertransport war ja schließlich auch ihre ursprüngliche Funktion) und quellen.
Durch ungleichmäßige Trocknung kommt es dann zu Spannungen und damit zur unterschiedlich stark ausgeprägten Rissbildung im Holz. Dieser Prozess wird bei eng beieinander liegenden Bohrungen noch verstärkt. Durch diese Risse können Pilze und Parasiten eindringen, deshalb vermeiden die Insekten solche Gänge instinktiv.
Generell gilt: Die Rissbildung nimmt mit dem Durchmesser eines Astes oder einer Stammscheibe und der Schnelligkeit der Trocknung zu. Bei relativ dünnen Ästen aus Hartholz, die sehr langsam getrocknet wurden, können Bohrungen im Stirnholz einigermaßen funktionieren, im ungünstigsten Fall kann die Besiedelung aber auch bei Null liegen.
Gut abgelagerte, quer zur Holzfaser angebohrte Hartholzklötze oder Baumstämme bleiben dagegen jahrelang einsatzfähig und werden
zu 100% besiedelt.
Ausführliche Informationen zur Problematik von Bohrungen im Stirnholz finden Sie HIER
In den käuflichen Nisthilfen wird häufig stark faserndes, völlig ungeeignetes Weichholz verwendet. Bei feuchter Witterung stellen sich die Fasern im Inneren der Gänge auf und verhindern damit jede Besiedelung durch die Insekten. Bei Nadelhölzern stellt die Harzbildung ein zusätzliches Problem dar, weil die Insekten hier kleben bleiben können.
Beim Bau von Insekten Insektennisthilfen darf daher ausschließlich Hartholz verarbeitet werden. Geeignet sind beispielsweise Esche, Buche, Eiche und alle Obstbaumarten.
Unsaubere Bohrungen mit Splittern und Fasern haben einen ähnlichen Effekt wie bei den Halmen. Sie gefährden die empfindlichen Flügel der Insekten und werden daher nicht besiedelt.
Qualitativ hochwertige, neue Bohrer, Löcher mit einem Durchmesser von 2-9 mm (Schwerpunkt 2-6 mm) und saubere, glatt geschliffene Bohrungen sind daher das A und O beim Bau von Nisthilfen.
Ausführliche Informationen zu Bohrungen in Hartholzklötzen finden Sie HIER
Die in Nisthilfen erwarteten solitären Wildbienen- und Wespenarten sind Hohlraumbesiedler. In freier Wildbahn
besiedeln sie häufig die verlassenen Fraßgänge von Käferlarven im Totholz als Nachmieter.
Ein nutzbarer „Hohlraum“ liegt aber bei den hier angebotenen Halmen nicht vor, da das Innere teilweise oder sogar komplett vom Mark blockiert wird.
Es gibt zwar durchaus Arten, die ihre Gänge selbst ins Mark graben, diese suchen aber ausschließlich nach einzeln stehenden, VERTIKALEN Stängeln.
Gebündelte, waagerecht orientierte markhaltige Stängel werden deshalb so gut wie kaum besiedelt, da sie weder den
Ansprüchen der Marknager, noch denen der Hohlraumbesiedler genügen.
Sehr selten findet man in wagrechten Markstengel Keulhornbienen der Gattung Ceratina
sowie Grabwespen der Gattung Pemphredon, die Röhrenblattläuse zur Ernährung ihrer Brut eintragen.
Ausführliche Infos zum Thema markhaltige Stengel in Insektennisthilfen HIER
Solange diese weitgehend praxisuntauglichen Nisthilfenmodelle sich weiterhin verkaufen wie die legendären warmen Semmeln, wird sich am Angebot und der Qualität auch nichts ändern. Hier sollte der Kunde eine ganz klares NEIN signalisieren und solche Produkte kategorisch boykottieren.
Hier noch ein Literaturhinweis von der Website von Dr. Paul Westrich, wohl einer unser renomiertesten Forscher zum Thema Wildbienen:
Eine wissenschaftliche Untersuchung, die 2014 in Berlin und Nordost-Brandenburg durchgeführt wurde, hat die hier dargestellten Fehler bestätigt und gezeigt, daß »das bisherige Expertenwissen« beim Bau von Nisthilfen kaum Berücksichtigung findet. Von 40 untersuchten Nisthilfen wiesen nur drei (7%) eine gute Besiedelbarkeit auf und 13 (30%) eine eingeschränkte.
Prell, S., Burmeister, K. & Schulz, U. (2915): Fehleranalysen und Optimierungsmöglichkeiten an Nisthilfen für Wildbienen - Erkenntnisse aus Literaturrecherchen und empirischen Untersuchungen. - Mtt. Dtsch. Ges. Allg. Angew. Ent. 20: 179-182.
Sinnvolle und praxistaugliche Nisthilfenalternativen finden Sie HIER, seriöse Anbieter HIER Wer selbst eine Insektennisthilfe basteln will, und das kann man eigentlich nur wärmstens empfehlen, findet im folgenden Buch eine Zusammenfassung
aller wesentlichen Aspekte (Bestellung beim pala-Verlag HIER):
Zahllose weitere Fotos findet ihr auf meinen Pinterest-Pinwänden!
Weitere Schautafeln HIER!
(Einzelseiten zum Vergrößern anklicken!)
Alle wesentlichen Informationen zu den unterschiedlichen Komponenten einer Insektennisthilfe sind jeweils in einem eigenen Kapitel zusammengefasst und mit zahlreichen Fotos
illustriert.
Eine sechsseitige Fotodokumentation protokolliert den Bau einer pfiffigen Insektennisthilfe aus alten Eichenbalken.
Doppelseiten mit Fotos illustrieren jeweils bestimmte Teilaspekte des Lebens an einer Nisthilfe.
Die typischen Baufehler der InsektenNICHTNisthilfen aus Baumarkt und Gartencenter werden ausführlich besprochen.
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