Von Ende April bis Anfang Mai sieht man häufig eine zierliche, 3 mm große Fliege mit auffälligen roten Augen ruhig an den Insektennisthilfen sitzen. Sie bewegt sich mit dem
Temperament einer Landschildkröte und fällt dem Betrachter daher kaum auf. Es handelt sich um einen Vertreter der Taufliegen (= Essig-, Frucht-, Obstfliegen =Drosophilidae). Der
Artname Cacoxenus indagator, mag nicht der einprägsamste sein, aber wie ein Großteil aller Insekten, hat auch diese Art keinen deutschen Namen.
Die verwandte Art Drosophila melanogaster hat es als klassisches Versuchstier der Genetiker zu Weltruhm gebracht und wird auch heute noch in
zahlreichen Labors gezüchtet.
Cacoxenus indagator ist ein Futterparasit, der in erster Linie bei der Rostroten Mauerbiene (Osmia bicornis), weniger auch bei der Gehörnten Mauerbiene (Osmia cornuta) schmarotzt. Die fertig entwickelte Fliege
lebt von überreifem Obst und gärenden Fruchtsäften.
Sobald eine Mauerbiene die Brutzelle verlässt und sich auf ihren nächsten Samenflug begibt schlüpft die Fliege in die Brutzelle und legt dort nach und nach 2-4 Eier. Die Larven schlüpfen im Inneren der fertig verdeckelten Zelle und machen sich sofort über die Pollen- und Nektarvorräte her.
Da die Fliegenlarven sehr klein sind, reichen die Pollenvorräte auch noch für die Entwicklung der Mauerbiene aus, solange sich nur 2-3 Fliegenlarven in der gleichen Brutzelle befinden. Aufgrund des Nahrungsmangels bleiben solche Mauerbienen aber auffällig klein und haben in der nächsten Saison vermutlich recht schlechte Karten in Hinblick auf Fortpflanzung und Überleben. Maximal können 10-20 Fliegenlarven einer Brutzelle vorkommen.
Falls die Pollenvorräte knapp werden, durchbeißen die Larven mit ihren Mandibeln die Lehmtrennwände und wandern so in die nächste Zelle ein.
Typisch für diese Art sind die dünnen, orange-roten, spaghettiförmigen Kotschnüre der Larven, die das Innere der Brutzellen komplett ausfüllen können.
In der linken Brutzelle ist der Befall mit Cacoxenus indagator an den typischen, feinen Kotschnüren unschwer zu erkennen. Die Mauerbienenlarve (2) ist zwar genauso alt wie die Larve in der benachbarten Zelle (1), aufgrund der Futterkonkurrenz durch die Fliegenlarven ist sie aber deutlich kleiner geblieben.
Links die Kokons von einem Männchen und einem Weibchen der Gehörnten Mauerbiene. Der Größenunterschied zwischen den Geschlechtern ist normal. Rechts eine Zwergform der Rostroten Mauerbiene die vermutlich aufgrund der Futterkonkurrenz mit Cacoxenus indagator so klein geblieben ist.
Je dichter eine Brutzelle mit diesen Kotschnüren der Fliegenlarven vollgepackt sind (auf dem Foto oben von links nach rechts), desto mehr
verlieren sie ihre charakteristische Struktur. Am Ende zerbröseln sie durch den Druck zu gelbem Puder. Auf den ersten Blick hat es daher den Anschein als wäre die Brutzelle randvoll mit Pollen
gepackt. So würde allerdings keine Wildbiene, die noch alle ihre fünf Sinne beisammen hat, ihre Brutzelle bestücken.
(Cacoxenus-Larven orientieren sich bei der Kotabgabe übrigens keineswegs an den pädagogisch-didaktischen Ansprüchen eines Fotografen, da sind sie völlig rücksichtslos! Daher habe ich die
einzelnen Brutzellen in Photoshop in einer logischen Aneinanderreihung montiert :-)
Im Herbst wandern die Fliegenlarven in den vorderen Bereich der Neströhre. Häufig sammeln sie sich in großen Mengen in der vordersten Brutzelle (Atrium) die von den Mauerbienen immer leer gelassen wird. Die Fliegenlarven überwintern hier, die Verpuppung erfolgt dann erst im nächsten Frühjahr. Kurz vorher beißt eine der Larven ein kleines Loch in den Verschlussdeckel, das den frisch geschlüpften Fliegen dann als Ausgang dient. Im Gegensatz zu den Larven haben die Fliegen saugend-leckende Mundwerkzeuge, die für den Durchbruch durch eine Lehmwand denkbar ungeeignet wären Ein Verschlussdeckel mit einem winzigen Loch am Rand verrät schon von außen den Befall mit Cacoxenus indagator.
Interessant ist die Fragestellung, wie sich die Fliegenlarven im Inneren der stockdunklen Brutzellen orientieren, um den „Ausgang“ zu finden.
Beim Bau der Lehmtrennwand zwischen zwei Brutzellen wölbt sich diese durch den Druck beim Auftrag des Materials von der Mauerbiene weg. Die der Biene zugewandte Seite der Trennwand wird
sorgfältig geglättet, die Seite im Inneren der Brutzelle ist dagegen nicht mehr zugänglich und bleibt zwangsläufig unbearbeitet und rau.
Aus Sicht der Fliegenlarven ist das eine unmißverständliche Richtungsangabe:
"Beiße ausschließlich die Lehmwände durch, die sich auf dich zu wölben und rau sind, und du kommst unweigerlich ins Freie.“
Man muss sich nur zu helfen wissen!