Aufgrund der zunehmenden Struktur-und Artenverarmung in einer intensiv genutzten Agrarlandschaft kann die Wildbienendichte im Siedlungsraum inzwischen höher sein als im vergrünten Umland, eine geradezu paradoxe Situation. Im Stadtgebiet Zürich wurden 142 verschiedene Wildbienenarten nachgewiesen, in Stuttgart 258, in Berlin 261. Die Anzahl der in Städten nachgewiesenen Arten lag bei 50-90 % der Gesamtartenzahl in der entsprechenden Region.
Zu diesem erstaunlichen Ergebnis tragen unter anderem das warme Mikroklima, ein Mosaik vielfältiger, kleinräumiger Strukturen, und ein stellenweise reichliches Nahrungsangebot auf Ruderal- und Pionierflächen, extensiv genutzten Grünflächen, Gärten und Parks bei. Aufgrund der starken Aufheizung, reduzierter Windströmung und durch die stadteigene Wärmeproduktion stellen Städte Wärmeinseln dar, die den Bedürfnissen der wärme- und trockenliebenden Wildbienen entgegenkommen. Verglichen mit dem ausgeräumten Umland besteht ein vergleichsweise gutes Blütenangebot. In Gärten und Parks findet sich ein breites Spektrum frühblühender Arten, das in der freien Landschaft inzwischen deutlich reduziert ist. Auch den Rest des Jahres finden die Insekten ein mehr oder weniger kontinuierliches Angebot.
Als Nistraum werden unter anderem Spalten, Fugen und Löcher von altem Mauerwerk genutzt, selbst Kleinstbiotope wie Sandfugen zwischen Pflastersteinen werden besiedelt. Für bodennistende Arten ist die Situation durch den hohen Grad der Bodenversiegelung generell am schwierigsten. Manche unspezialisierte Arten, wie die Gehörnte und die Rostrote Mauerbiene haben sich im Lauf der Jahre geradezu zu Kulturfolgern entwickelt und nehmen in ihren Beständen stetig zu.
Auch wenn der Schutz natürlich vorkommender Lebensräume Vorrang haben muss, können Maßnahmen in den Städten zumindest einen flankierenden Beitrag beim
Wildbienenschutz leisten. Gärten und Grünflächen nehmen oft einen überraschend hohen Anteil der Siedlungsfläche ein. Die Gesamtfläche aller Gärten einer Region ist oft größer als die
Gesamtfläche der entsprechenden Naturschutzgebiete, so traurig diese Tatsache auch ist. Wenn Nistmöglichkeiten und Nahrungsangebot auf engem Raum vorhanden sind, kann der Flächenbedarf mancher
Wildbienenarten vergleichsweise klein sein und deshalb auch in unseren Gärten abgedeckt werden.
Wildbienen sind nicht scheu und lassen sich in der Regel weder durch die Aktivität des Menschen noch durch Lärm von ihren Aktivitäten abhalten. Daher siedeln sie auch völlig ungeniert auf
sandigen, normal begangenen Wegen. Das Massenvorkommen von Sandbienen in lückig bewachsenen Rasenflächen führt jedes Jahr zu panikerfüllten Anfragen in den einschlägigen Foren.
Gerade ein Naturgarten mit seinem Reichtum an Kleinstrukturen, Trockenmauern, Steinhaufen,Totholz, Ruderalflächen, Magerstandorten, Blumenwiesen und einem generell weit überdurchschnittlich hohen Anteil einheimischer Blütenpflanzen kann hier ein wertvolles Refugium darstellen. Bei den im Frühjahr als erste Pollenspender besonders wichtigen Weiden gibt es beispielsweise zahlreiche kleine Arten, die in unseren Gärten Raum finden, ohne sie zu dominieren. Durch die gezielte Auswahl heimischer Pflanzenarten können wir vom Frühjahr bis in den Herbst ein kontinuierlich gut bestücktes Pollen- und Nektar-Buffet anbieten. Die Insekten werden es uns danken!
Die Schaffung eines ganzen Netzwerkes derartige struktur- und blütenreicher Flächen ist daher ein erstrebenswertes Ziel.
Welch unglaubliches Arten-Potenzial in einem Privatgarten stecken kann zeigen die Gärten der Wildbienenspezialisten F. Amiet, P. Westrich und A. Krebs. Herr Amiet bestimmte in seinem Garten (0,1 ha) in Solothurn (Schweiz) 119 verschieden Arten, Herr Krebs in Agasul (Schweiz) 60 Arten und Herr Westrich in Thübingen (320 m2!!) 115 Arten. An den angebotenen Nisthilfen siedelten von den 115 Arten lediglich 35. Oberste Priorität sollte daher nicht primär das Anbieten von Nisthilfen sein, sondern immer die gezielte Auswahl und Anpflanzung besonders wertvoller Pollenspender. Nur durch diese Maßnahme wurde in allen drei Gärten dieses fantastische Ergebnis erzielt.
Im Brennpunkt sollten hier die von den besonders gefährdeten Pollenspezialisten benötigten Pflanzenarten stehen, da sie automatisch auch von den Pollengeneralisten genutzt werden können. Besonders wichtig sind hier die Weiden (Salix), Natterkopf (Echium) und Glockenblumen (Campanula) die von 15 Wildbienenarten als alleinige Pollenquellen genutzt werden.
58 Wildbienenarten sind auf eine einzige Pflanzengattung fixiert, 205 Arten auf eine Pflanzenfamilie. Fehlen diese Pollenspender können die Wildbienen nicht
auf andere Alternativen ausweichen, eine derartige Flexibilität ist genetisch nicht fixiert. Besonders wichtige Pflanzenfamilien sind die Korbblütler (Asteraceae), die Schmetterlingsblütler (Fabaceae), die
Kreuzblütler (Brassicaceae) und die Lippenblütler (Lamiaceae).
Herr Westrich lockte durch das Nektar- und Pollenangebot 30 verschiedener einheimischer Wildstauden sogar auf seinem Balkon im ersten Stock mitten in der Stadt eine ganze Reihe von Wildbienenarten an. Eine solche Aktion macht Hoffnung und muntert auf.
Kein Raum ist zu klein um sinnvoll genutzt zu werden, selbst wildbienengerecht bepflanzte Töpfe auf einer Terrasse können bereits ein wertvolles Nahrungsangebot darstellen.
Legen wir also los! :-)
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